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📰 „Verlag oder Verkaufsfalle? – Wenn junge Verlage von Autor:innen Geld verlangen“

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Ein persönlicher Anfang


Als ich die E-Mail las, klang zunĂ€chst alles sehr vielversprechend. Lob fĂŒr meinen Schreibstil, ehrliches Interesse am Thema, sogar VorschlĂ€ge zur Dramaturgie.Der Absender war ein junger Berliner Verlag, modern, ambitioniert, voller Energie.Man sprach von Zusammenarbeit, von gemeinsamen Zielen und einer „Metaebene des Romans“.Doch dann kam das Angebot – und mit ihm die ErnĂŒchterung: mehrere tausend Euro fĂŒr die Veröffentlichung meines Buches.

Was zuerst nach einer Partnerschaft klang, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als teure Dienstleistung.



Das Angebot im Detail


Der Verlag bot an, gemeinsam mit mir die Figuren und die Dramaturgie zu entwickeln, Lektorate durchzufĂŒhren, ein Cover zu gestalten und das Buch auf Buchmessen zu prĂ€sentieren.Klang professionell – bis zum letzten Teil des Schreibens: dem KostenĂŒberblick.

Dort hieß es, die Erstellung der Druckvorlage koste 76 Euro pro Seite, hinzu kĂ€men 5.800 Euro fĂŒr Marketing.Die Gesamtsumme: zwischen 14.000 und ĂŒber 21.000 Euro, je nach sogenannter Beteiligungsstufe.Ein Teil dieser Summe sollte vom Verlag getragen werden, der Rest von mir als Autor.

SpĂ€testens hier war klar: Das war kein klassischer Verlagsvertrag, sondern ein Dienstleistungsmodell, bei dem ich als Autor den Großteil der Kosten tragen sollte.



Wenn das Risiko beim Autor liegt


BegrĂŒndet wurde das mit den Worten, man sei noch jung und könne das wirtschaftliche Risiko nicht vollstĂ€ndig ĂŒbernehmen.Ein Satz, der zunĂ€chst verstĂ€ndlich klingt – aber im Kern die Idee des VerlagsgeschĂ€fts auf den Kopf stellt.

Denn ein Verlag, im klassischen Sinn, trĂ€gt das Risiko selbst.Er finanziert Lektorat, Druck, Vertrieb und Marketing, weil er an die QualitĂ€t und das Potenzial des Buches glaubt.Der Verlag verdient spĂ€ter am Verkauf – nicht am Autor.

Wenn aber der Autor die Kosten ĂŒbernimmt, trĂ€gt er das Risiko, wĂ€hrend der Verlag von Beginn an verdient.Das ist kein partnerschaftliches Modell, sondern eine Dienstleistung unter Verlagsbezeichnung.



Ein Muster, das sich wiederholt


Solche Modelle tauchen immer hĂ€ufiger auf: junge Verlage mit modernen Websites, schicken Logos und großen Versprechen.Sie sprechen von „Kooperation“ und „gemeinsamer Entwicklung“, betonen Teamgeist und individuelle Betreuung – und enden mit einem fĂŒnfstelligen Preis.

FĂŒr viele DebĂŒtautor:innen ist das verlockend, denn sie fĂŒhlen sich gesehen, ernst genommen, gelobt.Doch am Ende kaufen sie nicht eine Veröffentlichung, sondern eine Illusion von Verlagserfolg.



Warum Transparenz zÀhlt


Das Problem liegt nicht darin, dass Verlage jung oder experimentell sind.Das Problem ist die fehlende Transparenz.

Wenn ein Anbieter klar sagt: „Wir sind ein Dienstleister. Sie kaufen bei uns Lektorat, Layout und Marketing ein“, ist das völlig legitim.Aber wenn ein solcher Anbieter sich als „Verlag“ darstellt und gleichzeitig Autorenbeteiligungen in fĂŒnfstelliger Höhe verlangt, dann ist das irrefĂŒhrend.

Ein echter Verlag bezahlt seine Autor:innen.Ein Dienstleister wird von ihnen bezahlt.

Der Unterschied ist grundlegend – und er entscheidet, ob man gefördert oder ausgenutzt wird.



Wie Autor:innen sich schĂŒtzen können


  1. Zahle nie, um veröffentlicht zu werden. Ein Verlag investiert in dich – nicht umgekehrt.

  2. Lass VertrĂ€ge prĂŒfen, etwa durch den Verband deutscher Schriftsteller:innen (VS) oder die Initiative Fairlag.

  3. Frage nach Erfolgsnachweisen: Wie viele BĂŒcher wurden tatsĂ€chlich verkauft? Wer trĂ€gt die Druckkosten?

  4. Recherchiere Erfahrungen anderer Autor:innen – in Foren, auf Social Media, in Selfpublishing-Gruppen.

  5. Vertraue deinem BauchgefĂŒhl: Wenn etwas wie ein Verlag klingt, aber sich wie ein Kaufvertrag liest, ist es kein Verlag.



Mein Fazit


Ich habe mich entschieden, mein Buch nicht ĂŒber diesen jungen Berliner Verlag zu veröffentlichen.Nicht, weil das Konzept grundsĂ€tzlich falsch wĂ€re – sondern weil es nicht das ist, was ich unter einem Verlag verstehe.

Ein Verlag sollte in Autor:innen investieren, sie begleiten, fördern und riskieren.Wenn ein Verlag sagt, er sei „zu jung, um das Risiko zu tragen“, dann ist er vielleicht auch zu jung, um sich Verlag zu nennen.



Nachwort


Dieser Artikel soll kein Angriff sein, sondern eine Erinnerung:Schreiben bedeutet Mut, Hingabe und Vertrauen.Doch kein Autor oder keine Autorin sollte fĂŒr diesen Mut bezahlen mĂŒssen.

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