Wenn man nur sucht, findet man auch
- Maurice Ghaedi Bardehei

- 5. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Mein TÊTE-À-TÊTE MIT… DER GESELLSCHAFT

Hallo Nachbarn,
Ich schreibe an meinem Buch „Die leere Bank“.Und während ich so schreibe und recherchiere, muss ich häufig raus aus meiner Wohnung.Ich muss in die Welt – zum Atmen, zum Schauen, zum Leben.
An manchen Tagen fällt mir das Schreiben schwer.Dann gehe ich in mich und frage mich erneut:Weshalb schreibe ich dieses Buch eigentlich?
Nicht nur, weil ich glaube, dass die Geschichte großartig ist.Sondern weil sie zu mir kam.
Ich habe die Gesellschaft beobachtet und dann bei mir angefangen.Dabei habe ich verstanden:Hier stimmt etwas nicht. Hier ist etwas schief.
Ich habe so viele Fragen in meinem Kopf.Einige davon sind:Wer bin ich – und wie viele?Was habe ich im Leben richtig gemacht? Was falsch?
Und dabei ist mir aufgefallen: Irgendwie habe ich ALLES richtig gemacht, und dennoch vieles falsch.Wie kann das also sein? Dass alles richtig ist und dennoch so viel falsch?
Ich habe festgestellt: Das, was ich getan habe, hat mich am Ende fast immer zum Lernen geführt. Manches früher, manches später.Und wenn man ernsthaft hinschaut, kann man mit der Zeit eine bessere Version von sich selbst werden.
In den letzten Zeit habe ich also für mein Buch recherchiert und dabei festgestellt:Die Welt steht schief. Und die Menschen sind allesamt selbst schuld.
Wir alle.
Jeder Einzelne.
Und ich glaube, es liegt in der Natur der Sache.
Helden und Vorbilder werden auf ein Podest gehoben.
Aber sollten wir das wirklich tun?Denn jeder hat Schattenseiten. Und selbst wenn jemand „groß“ erscheint, interpretieren wir das eigentlich richtig?Oder ist auch bei Helden über die Jahre und Generationen eine Fehlinterpretation möglich?
Was ist links, was ist rechts?Wie gefährlich sind Milieus wirklich?Und ist es richtig, wenn wir einer Seite einen Heiligenschein verpassen - einfach, weil es für unser Weltbild bequemer ist?
Wer vertritt denn meine Interessen besser als ich selbst?
Sind Politiker so, wie sie sind, weil wir sie lassen?Wie müsste Realpolitik eigentlich aussehen? Und für wen? Für mich, meine Nachbarn, für meine Stadt? Ist es nicht so: Wenn wir als Gesellschaft nicht mal selbst auf einen Nenner kommen – wie wollen wir es dann von anderen verlangen?
Heißt links zu sein nicht auch, sich selbst immer wieder infrage zu stellen?Hat „links“ nicht unzählige Facetten?Und ist links automatisch radikal?
Haben Linke früher nicht mehr Gegenwind ausgehalten als heute?Waren es nicht die Linken, die in hitzigen Diskussionsrunden gestritten haben – hart in der Sache, offen im Austausch?
Und kann es sein, dass vermeintlich Linke heute ihre Kinder auf Privatschulen schicken, sich abkapseln –und ihre Wahrheit als die einzig richtige verkaufen?
Es entstehen so viele Fragen zur Gesellschaft.Auch zu den Rechten – und wie sie mit unserer Gesellschaft, den Werten, dem Volk umgehen.Zu den Konservativen – die sich immer weiter von der Mitte entfernen, immer mehr von oben herab dirigieren.
Und mitten drin: WIR ALLE.
Und dann höre ich in Podcasts von Linken, vermeintlich Linken oder doch Rechten oder Konservativen. Und ich sehe Kommentare, Meinungen, Beleidigungen. Aber nirgends höre ich ein: „Danke für die vielen Meinungen, ich steige mal kurz aus dem Karussell aus und überlege mir in Ruhe, was ich wirklich – TIEF IN MIR – denke.“
Nein, man hört nur noch Meinungen im Hooligan-Stil, Zwischenrufe, Parolen, schnelle unreflektierte Meinungen. Die anderen werden niedergebrüllt, ihre Ansichten entwertet, während die eigene Meinung als das Nonplusultra dargestellt wird.
Ich möchte, dass es wieder anders wird.
Ich will, dass wir die alten Denkmäler abreißen und uns einigen, neue aufstellen.Frei nach dem Lied von Wir sind Helden . Holt den Vorschlaghammer, sie haben uns ein Denkmal gebaut und jeder Vollidiot weiß das, dass die Liebe versaut ….
ES Liegt an UNS.
Unter Vier Augen
(Tête à Tête)
EMPFEHLUNGEN & ENTDECKUNGEN DER WOCHE
1. Leseliste
Unter Linken von Jan Fleischhauer Ein Buch von ich glaube 2009 und ich finde es spannend, wenn Debatten geführt werden, mir Bücher aus dem Regal zu nehmen und zu sehen, wie man diese in der neuen Zeit interpretiert.
22 Bahnen von Caroline Wahl ist ein Buch über das Ringen mit sich selbst, über Gewissen, Liebe und die Zerbrechlichkeit von Selbstverantwortung. Es erzählt davon, wie schwierig es ist, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, und wie schmerzhaft, schön und manchmal verwirrend der Umgang mit Nähe und Verletzlichkeit sein kann.
Klapper von Kurt Prödel Ein Buch über das Scheitern, das Schweigen und die Suche nach Bedeutung im Banalen. Zwischen Lethargie und Lärm tastet sich eine verlorene Generation durchs Leben, tragikomisch, traurig, ehrlich.
Und mittendrin: der Tod, der nicht laut kommt, sondern Plötzlich.
Und die Frage: Bin ich vielleicht schuld an dem, was fehlt? An dem, was schmerzt? Eine schonungslose Momentaufnahme zwischen Selbstironie und tiefer Verlorenheit.
Drei Bücher, die mich beschäftigen und zu meiner Stimmung passen— irgendwo zwischen Hoffnung, Liebe, Tod und Zuversicht.
2. Was mich Bewegte
Mich bewegt haben diese Woche einige Todesnachrichten:Hulk Hogan – der Held vieler Kinder, Ozzy Osbourne – der umstrittene Star, sind tot. Beim melancholischen Musikhören habe ich dann gegoogelt, was mein Kindheitsheld und mein erster Rockmusiker der DDR, Ralf „Bummi“ Bursy, heute macht. Es war meine erste Kassette, die ich geschenkt bekam. Und er hat mich geprägt wie kein anderer. Noch heute, 32 Jahre nach dem letzten Hören seiner Musik, kenne ich die Texte auswendig.
Ich habe nicht mitbekommen, dass er schon 2022 gestorben ist. Still. Leise.
Es ist erstaunlich, wie die Welt einfach weitergeht. Und nebenbei wird uns ständig die Endlichkeit gezeigt. Jeder sieht sie, und doch wird sie kaum jemandem wirklich bewusst.Trotzdem bleiben wir nicht stehen. Wir machen weiter. Wir scrollen. Wir leben.
Der Tod unserer Kindheitsbegleiter und Helden ist heute oft nur noch einen Post wert. Und zehn Minuten später vergessen.Vielleicht ploppt er später noch einmal auf, wenn jemand den Beitrag liked oder eine Nachricht schreibt wie:„Voll schade.“
3. Meine Begegnung
Begegnungen dieser Woche
Ein paar Menschen haben mich in den letzten Tagen nachdenklich gemacht und dafür gesorgt, dass meine Hoffnung nicht stirbt.
Einer davon ist Holger(Ü 50), der Mann ist Altenpfleger. Morgens um 9 Uhr traf ich ihn an einer Tankstelle und wir kamen über die Reinigung meines Kindersitzes ins Gespräch. Er ist ein fröhlicher Mensch, der seinen Job mehr als liebt. Wir sprachen über seinen Beruf, den verbundenen Spaß und schließlich über die Wichtigkeit von Sex im Alter. Und dabei ging es nicht um ihn, nein das Tabuthema schlecht hin, das seine Mandanten noch immer Spaß an der Körperlichkeit haben.
Das Gespräch war so lustig und gleichzeitig so ehrlich, dass ich ihn direkt zu einem tête-à-tête eingeladen habe.Er möchte seine Geschichte erzählen – und über seine Liebe zum Beruf.
4. Was kommt Jede Woche ein neuer Newsletter.Alle 2 Woche ein neuer Podcast — tête-à-tête oder BookBrothers.Und jede Woche neue Gedanken.Nicht, um besser zu sein. Sondern um besser zu verstehen.
5. Zitat der Woche
„Was, wenn unsere Helden nur Ablenkung sind? Und unser politisches Geschrei nur Ersatz für echte Verantwortung?“
Maurice Ghaedi Bardehei
Vielleicht sollten wir nicht mehr ständig Vorbilder suchen, sondern uns fragen: Wann übernehmen wir endlich selbst Verantwortung?
🧠🫰🏼🦦



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