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Wenn wir Tiere lieben, warum sperren wir sie ein?

Ein Tête-à-Tête mit unserem Gewissen


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Juli 30, 2025

Hallo Nachbarn,

im März habe ich meine Weiterbildung an der Akademie der ZEIT abgeschlossen. Die Inhalte: Journalismus, Ethik, Literatur, Weltliteratur, Rhetorik und Philosophie. Seitdem blicke ich auf viele Themen nicht mehr nur mit Emotionen, sondern auch mit einem geschärften ethischen Blick.

Doch je genauer ich hinsehe, desto mehr fällt mir auf, wie stark unsere gesellschaftliche und moralische Entwicklung an manchen Stellen ins Wanken gerät. Zwei Ereignisse der letzten Tage haben mich besonders getroffen und ich muss zugeben sie bringen mich an meine Grenzen.

Fall 1: Der Maschsee-Mörder – und die Verklärung der Tat

Ein Mann, der als Maschsee-Mörder in den Schlagzeilen stand, ist wieder in Freiheit. Er saß im Gefängnis, weil er eine Frau erst Vergewaltigte, dann tötete, zerstückelten und die Leiche wurde später im Maschsee gefunden. Nun tritt er öffentlich im Internet auf, nicht reumütig, sondern in erschreckender Selbstinszenierung.

Er prahlt mit seiner Tat, zeigt keine Sühne und verhöhnt damit in meinen Augen sowohl das Opfer als auch die Hinterbliebenen. Er hat einen TikTok Kanal und genießt die ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit.

Noch verstörender: Er hat eine Fangemeinde. Menschen, die T-Shirts mit seinem Gesicht tragen, Aufschriften wie „Ich habe ein Date mit einem Mörder überlebt“ oder „Keine Sorge, ist nicht mein Blut“.In Kommentaren wird die Tat bagatellisiert: „Jeder hat eine zweite Chance verdient“oder sogar „Straftat ist Straftat – Diebstahl oder Mord, alles gleich“oder „Er hat seine Strafe abgesessen und ist doch mal wieder gut.“

Das wirft eine fundamentale Frage auf:➡️ Wie weit darf gesellschaftliche Toleranz gehen, ohne die Würde der Opfer und das moralische Fundament zu zerstören? Was sagt das über unser Wertesystem aus?

Fall 2: 12 Paviane im Nürnberger Zoo – und die fragwürdigen Rechtfertigungen

Fast zeitgleich kam es in Nürnberg zu einem weiteren Vorfall: Zwölf Paviane wurden im Zoo getötet. Die Begründung: Die Gruppe sei zu groß geworden, Auswilderung nicht möglich.

Doch:Zoos begründen ihre Existenz seit Jahrzehnten mit Artenschutz, Artenrettung, Auswilderungsabsichten und Bildung.Wenn aber Tiere getötet werden, weil sie „zu viele“ sind, widerspricht das dem eigenen Narrativ.

Studien zeigen zudem: Kinder nehmen kaum langfristiges Wissen aus Zoobesuchen mit (Quelle: Zoo Visitor Learning Study, 2018).Zoos sind - nüchtern betrachtet – keine Bildungseinrichtungen, sondern Freizeitbetriebe mit hohem wirtschaftlichem Interesse.

2025 müssen wir uns fragen: Sind Zoos noch zeitgemäß?

Was ist eigentlich Ethik – und warum ist sie so wichtig?

Ethik (vom griechischen ēthos = Gewohnheit, Charakter) ist die Lehre vom moralisch richtigen Handeln. Sie prüft:

  • Was ist gut oder schlecht?

  • Was ist gerecht oder ungerecht?

  • Welche Handlungen sind verantwortbar – und warum?

Seit der Antike (Platon, Aristoteles und später Kant) ist Ethik ein Kompass für Gesellschaften. Sie bildet die Grundlage für Gesetze, Werte und unser Zusammenleben.

Wenn wir ethische Maßstäbe ignorieren oder beliebig auslegen, droht die Gesellschaft in Relativismus abzurutschen – alles wird „irgendwie erklärbar“ oder „nicht so schlimm“. Genau das passiert in beiden genannten Fällen.

Wenn wir Tiere lieben – warum sperren wir sie ein?

Ich bin kein Zoobesucher – ich bin Gegner.Und das ist keine spontane Entscheidung.Es ist das Ergebnis von Jahren der Beobachtung, Gesprächen und Recherchen.

Ich sehe den Löwen, den Elefanten, das Nashorn.Wunderschöne Tiere. Kraftvoll. Lebendig und doch eingesperrt. Und seien wir ehrlich, die eingesperrten Tiere sehen ihren in Freiheit lebenden Artgenossen nicht ähnlich. Meist sind sie ein Schatten ihrer selbst.

Und dann kommt mir die Frage:

Lieben wir Tiere wirklich, wenn wir sie hinter Gitter stellen, nur damit wir sie sehen können?

Zoos sind nicht nur Zoos.Sie sind Spiegel unserer Ethik.

Wir reden von Artenschutz und Bildung – und laufen trotzdem weiter an Betonmauern vorbei.Wir kaufen Eintrittskarten, Popcorn und Selfies.Wir beruhigen uns mit Sätzen wie: „Mein Eintritt hilft, die Art zu erhalten.“

Doch hilft er wirklich den Tieren – oder nur unserem Gewissen?

Alternativen gibt es längst:

Thematische Tierparks mit naturgetreuen Umgebungen, interaktiven Lernstationen und Tierdarstellungen durch realistische Modelle. Digital erweiterte Erlebnisse (VR, AR, Soundkulissen), die Wissen, Empathie und Unterhaltung verbinden – ganz ohne lebende Tiere einzusperren.

EMPFEHLUNGEN & ENTDECKUNGEN DER WOCHE

Leseliste

  • Mission Erde – Robert Marc Lehmann: unbequem, ehrlich, mutig. Ein Buch, das hinter die Fassaden von Zoos und Aquarien blickt.

  • Zoos – Rettung oder Relikt? – u. a. Colin Goldner: Ein Sammelband, der ethische, ökologische und psychologische Fragen stellt – und Antworten wagt.

  • Tiere denken – Richard David Precht: Eine philosophische Auseinandersetzung darüber, wie wir Tiere sehen – und was das über uns aussagt.

Was mich bewegte

Der gerade bekannt gewordene Tod der deutschen Biathletin Laura Dahlmeier beim Klettern im pakistanischen Gebirge.Ein Ausnahmetalent, das die Natur liebte – und ihr am Ende in den Bergen begegnete.Ein leiser, schmerzhafter Reminder: Wir sind Gäste in der Natur. Wir sind nie größer als sie.

Meine Begegnung

Diese Woche ist es weniger ein einzelner Mensch, sondern die Resonanz auf meinen letzten Blog.Nachrichtensprecher der Tagesschau, Moderatorinnen, Menschen aus der Medienwelt haben reagiert.

Das Gespräch begonnen hat.Und das ist der Anfang von Veränderung.

Was kommt

  • Jede Woche ein neuer Newsletter

  • Alle 2 Wochen ein neuer Podcast — Tête-à-Tête oder BookBrothers

  • Und jede Woche neue Gedanken – um besser zu werden & verstehen

Zitat der Woche

„Vielleicht bedeutet Artenschutz nicht, Tiere in Zoos zu halten – sondern ihnen endlich ihre Freiheit zurückzugeben.“— Maurice Ghaedi Bardehei

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