Wer bin ich – und wie viele?
- Maurice Ghaedi Bardehei

- 5. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Heute geht es um mich.Um die Frage: Wer bin ich eigentlich? Und vielleicht noch mehr: Wie viele Versionen von mir gibt es?Meine Reise zu Psychologen begann nicht erst mit Mitte 30. Der erste Kontakt war viel früher. Ich war ungefähr zehn Jahre alt, als meine Mutter mich zu einer Psychologin schleppte. Sie war der Meinung, ich würde nicht „richtig funktionieren“.Damals waren wir gerade nach Berlin gezogen. Ich sprach mit meinem Thüringer Dialekt, versuchte Anschluss zu finden, wollte Freunde haben - und fand keine. Ich strengte mich an, versuchte witzig zu sein, interessant, sogar auf eine Art „Freunde zu kaufen“. Aber es funktionierte nicht.Erst mit 28 Jahren verstand ich: Es lag nicht wirklich an mir. Damals aber war ich ein Kind, unsicher, einsam und die Gewalt zuhause von genau dieser Mutter, machte es nicht leichter. Ich hatte Angst, mich zu öffnen. Angst, mich zu wehren. Und so bestimmte die Angst mein Leben. Bis ins Jahr 2020.Die Psychologin damals konnte mir nicht helfen. Wie auch? Sie wusste nicht, was zuhause wirklich passierte. Ich selbst war viel zu verängstigt, um etwas zu erzählen. Diese erste Erfahrung verlief also sagen wir mal Mittel – und ich lief weiter. Spielte meine Rollen, um zu überleben. In der Schule. In der Ausbildung. Zuhause. Immer.
Der Punkt, an dem es gefährlich wurde
Springen wir ein paar Jahrzehnte weiter. Ich war 31, als es ernst wurde. Richtig ernst.Mir ging es schlecht! Seelisch, körperlich!Ich spielte immer noch Rollen. Nach außen stark, souverän, sogar erfolgreich. Tätowierer, Künstler, jemand, der etwas darstellt. Aber innen? Innen war ich kaputt.Ich übergab mich täglich. Nicht einmal, nicht zweimal – jeden Tag, mehrmals, vor fast jeder Situation.Vor einem Termin, vor dem Einkaufen, vor Amtsterminen, vor dem Arztbesuch, vor einer Bus- oder Bahnfahrt. Ich übergab mich manchmal eine Stunde lang. Und wenn ich es dann doch zum Termin schaffte, drehte ich oft um, weil die Panik wieder einsetzte.Beim Tätowieren dasselbe: Vor jedem Termin musste ich mich übergeben. Auf Conventions, in Schulungen mit bekannten Kollegen, bei Prominenten im Laden, sogar vor TV-Formaten, die meine Arbeit zeigen wollten. Die Panik war stärker als alles andere.Mein Körper rebellierte. Der Blutdruck ließ sich nicht einmal mit zwei Spritzen, die für zu hohen Blutdruck sind senken. Medikamente halfen nicht. Ärzte sahen nur Symptome, aber nicht die Ursache. Ich wusste: So kann es nicht weitergehen. Es war gefährlich. Für meine Gesundheit. Für mein Leben.
Der zweite Versuch – diesmal von mir
Also suchte ich Hilfe. Wieder. Diesmal aber war es meine Entscheidung.Ich ging zu einem Psychiater und ich Arbeitete hart an den Problemen, Symptomen, an mir.Das war anders als damals mit zehn Jahren. Diesmal wollte ich hinschauen und ich wollte erzählen. Aber es war schwer. Ich musste meine Rollen ablegen, die Masken, die ich mir jahrelang aufgebaut hatte. Ich musste mich selbst sehen. Meine Wut. Meine Angst. Die Gewalt. Die Verletzungen, die ich erlitten hatte – und vor allem die, die ich anderen zugefügt hatte.Das war der schwerste Teil: zu erkennen, dass ich Menschen verletzt habe. Aber heute kann ich damit umgehen, weil ich verstehe, warum es so war. Weil ich mich kenne.Ich habe mir erlaubt, ich selbst zu sein. Zum ersten Mal in meinem Leben. Und das war die größte Erleichterung.
Wer ich heute bin
Heute, nach acht Jahren harter Arbeit, kann ich sagen:Ich habe mich gefunden. Ich liebe mich. Nicht perfekt, nicht immer, aber ehrlich.Ich habe die Rollen abgestreift. Ich lerne mich immer besser kennen. Und das ist ein Geschenk.Ich habe erkannt, dass jede Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe, wichtig war. Auch die schweren oder falschen. Denn sie haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.Und das Schönste: Ich kenne meine Aufgabe.Ich weiß jetzt, warum ich hier bin.Ich will schreiben.Ich will Menschen verbinden.Ich will Liebe in die Welt tragen – mit Geschichten.Deshalb mein Satz, der mich jeden Tag begleitet:„Erzähl’s mit Mut. Mach’s mit Herz.“Als Autor kann ich das.Als Mensch darf ich das.
Mein Weg geht weiter
Heute arbeite ich mit meinem dritten Psychologen und es geht in Riesenschritten voran. Ich habe großartige Psychologen an meiner Seite. Ich habe gelernt, dass Heilung nicht bedeutet, dass man irgendwann „fertig“ ist. Sondern dass man wächst. Jeden Tag ein Stück.Und wenn du das liest und dich in Teilen meiner Geschichte wiedererkennst:Du bist nicht allein.Vielleicht ist es auch dein Weg.Vielleicht hast du ähnliche Ängste, ähnliche Kämpfe, ähnliche Masken getragen.Dann lass mich dir sagen: Es lohnt sich, hinzuschauen. Es lohnt sich, Hilfe zu suchen.👉 Wenn du mehr darüber wissen magst oder dich austauschen möchtest, schreib mir einfach.



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